Erstmals im Oktober 2021 hatten wir über den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Licht der Rechtsprechung berichtet. Für Arbeitsvertragsparteien interessant wird das Thema im Zusammenhang mit der Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG. In der Praxis häufig anzutreffen ist, dass Arbeitnehmer nach Erhalt einer Kündigung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen, die in aller Regel die Zeitspanne der Kündigung umfasst. Ist hier der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert?
Am 13. Dezember 2023 hat sich das Bundesarbeitsgericht unter Az.: 5 AZR 137723 mit dem Beweiswert einer "passgenauen" Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung befasst.
Der Arbeitgeber kann den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und beweist, die nach einer Gesamtbetrachtung Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers geben. Werden die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen während des Laufs der Kündigungsfrist ausgestellt, muss eine Einzelfallbetrachtung durchgeführt werden. Unabhängig davon, wer die Kündigung ausgesprochen hat und ob eine oder mehrere Bescheinigung vorgelegt werden, ist der Zeitfaktor ein wichtiger Ansatzpunkt. Liegt ein Gleichlauf zwischen dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit und dem Zugang der Kündigung vor? Dies ist sowohl für die Erstbescheinigung als auch für Folgebescheinigungen zu prüfen. Wird z.B. die Folgebescheinigung passgenau mit der Kündigungsfrist enden, und beginnt der Arbeitnehmer unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung, ist der Beweiswert der Folgebescheinigung erschüttert.
Dann muss der Arbeitnehmer in vollem Umfang darlegen und beweisen, dass er krankheitsbedingt arbeitsunfähig war, um eine Entgeltfortzahlung zu erhalten