Welche Besonderheiten kennzeichnen die Kündigung von Arbeitsverhältnissen schwerbehinderter Menschen?
Nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) muss das Integrationsamt vor Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen zustimmen. Erst nach erteilter Zustimmung kann die Kündigung ausgesprochen werden. Die Überprüfung des Verwaltungsaktes "Zustimmung des Integrationsamtes" obliegt den Verwaltungsgerichten und ist von der Kündigung zu unterscheiden. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses muss vor dem zuständigen Arbeitsgericht angegriffen werden. Durch die Doppelgleisigkeit des Rechtsweges Verwaltungsgericht/Arbeitsgericht wird das Verfahren kompliziert und zeitraubend.
1. Kündigung des Arbeitgebers
Das Integrationsamt muss vor Ausspruch der Kündigung zustimmen. Wenn das Integrationsamt der Kündigung zustimmt, sind die Arbeitsgerichte an die erteilte Zustimmung grundsätzlich gebunden. Und zwar solange, bis die vom Integrationsamt erteilte Zustimmung bestands- oder rechtskräftig aufgehoben ist.
Hat der schwerbehinderte Arbeitnehmer eine Kündigung erhalten, muss er diese innerhalb der 3-wöchigen Klagefrist dem zuständigen Arbeitsgericht zur Überprüfung stellen (Kündigungsschutzklage). Hat der Arbeitgeber die Kündigung ausgesprochen, ohne zuvor die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen, ist diese Kündigung unheilbar nichtig. Im Rahmen der notwendigen Kündigungsschutzklage muss sich der Arbeitnehmer dann auf die Nichtigkeit der Kündigung berufen.
2. Aufhebungsvertrag
Das Arbeitsverhältnis kann aber auch auf andere Weise, z. B. durch Aufhebungsvertrag beendet werden. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit gestattet es den Parteien des Arbeitsvertrages, ihr Arbeitsverhältnis jederzeit durch einen Aufhebungsvertrag zu beenden. Mit dem Abschluss eines schriftlichen Aufhebungsvertrages verzichtet der schwerbehinderte Arbeitnehmer allerdings auch auf die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes. Die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages hängt nämlich nicht von der Zustimmung des Integrationsamtes ab, beim Aufhebungsvertrag ist also keine Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich. Ist im Betrieb eine Schwerbehindertenvertretung errichtet, muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung ledigich über den Abschluss des Aufhebungsvertrages unterrichten.
3. Kündigung Arbeitnehmer
Will ein schwerbehinderter Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung beenden, ist die Zustimmung des Integrationsamtes nicht erforderlich.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer aufgrund der Vorschriften des SGB IX eine besondere kündigungsrechtliche Sonderstellung besitzt. Dieser besondere Kündigungsschutz tritt neben die übrigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften anderer Gesetze. Es findet also neben dem SGB IX z. B. der allgemeine Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes, der Schutz des § 17 Mutterschutzgesetz, der des § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG, der Massenentlassungsschutz, und beispielsweise auch der Kündigungsschutz für Mitglieder der Betriebs- bzw. Personalvertretung Anwendung. Bei der Kündigung von schwerbehinderten Arbeitnehmern ist gegebenenfalls der Betriebsrat zu hören oder der Personalrat nach dem jeweiligen Landesgesetz zu beteiligen.
In jedem Fall gilt: Lassen Sie sich beraten!